Bin ich gut genug? – Das Hochstaplersyndrom greift um sich!

by | 6. Dez 2023

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die diese Frage regelmäßig mit „Nein“ beantworten, sind Sie in guter Gesellschaft.

Die meisten Menschen kennen Selbstzweifel, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Allgemein sind Frauen häufiger betroffen, aber auch Männer quälen Unsicherheiten.

Selbstzweifel versuchen wir häufig damit zu beseitigen, dass wir uns vornehmen, besser zu werden. „Wenn ich nur endlich mehr Sport treibe, abnehme, einen besseren Job habe, disziplinierter bin etc., dann werden meine Selbstzweifel verschwinden“, so lautet der Plan. Aber stimmt das? Kann man Selbstzweifel einfach wegtrainieren oder sich ausreden?

Selbstzweifel entstehen aus der Diskrepanz zwischen dem Real-Selbst und dem Ideal-Selbst.

Also, zwischen wie ich bin (oder glaube, zu sein), und wie ich gerne wäre. Je größer die Diskrepanz, desto größer der Selbstzweifel. Die Wurzel für unsere Selbstzweifel liegen in unserer Kindheit. Sie sind untrennbar verbunden mit unserem Selbstwertgefühl: Ist dieses hoch, werden uns weniger Selbstzweifel quälen.

Selbstzweifel sind auch in Führungsetagen weit verbreitet.

Die Psychologieprofessorin Sonja Rohrmann hat dazu eine Studie erstellt in der 457 Führungskräfte befragt wurden. Sie hat herausgefunden, dass rund die Hälfte von ihnen von dem Phänomen betroffen ist. Sie alle haben gemein, dass sie in ständiger Angst vor dem Auffliegen leben. Und so fürchten sie, sie seien nicht so kompetent, wie andere sie einschätzen. Ihre Erfolge führen sie stets auf glückliche Zufälle oder äußere Umstände zurück – nie auf die eigene Leistung.

„Ich erwarte jederzeit, dass die Kein-Talent-Polizei kommen wird und mich verhaftet.“

Mike Myers

Selbstzweifel dadurch zu bekämpfen, in dem man krampfhaft immer besser werden will, ist wie Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Natürlich ist es nicht falsch, sich selbst verbessern zu wollen, z.B. mehr Sport treiben, sich gesünder ernähren zu wollen. Entsteht dieser Vorsatz aber aus einem Mangelbewusstsein („ich bin nur gut genug, wenn ich schlanker bin“ etc.), werden wir uns nicht wirklich besser fühlen, auch wenn wir schlanker sind. Wenn wir uns nicht in der Gegenwart annehmen können, dann können wir das auch nicht mit unserem Zukunfts-Selbst, auch wenn dieses noch so optimiert ist. Selbst-Akzeptanz passiert immer in der Gegenwart und legt damit den Grundstein für die Zukunft.

Viel besser ist es, Selbstzweifel konstruktiv zu nutzen und einen liebvollen Blick auf uns selbst zu lernen.

Hierzu ein paar Tipps:

  • Den Selbstzweifel annehmen: Welche Gedanken gehen damit einher? Welche Gefühle? Achtsamkeit kann hier helfen.
  • Den inneren Kritiker nicht bekämpfen, sondern ihn als wichtige Ressource zu sehen. Er fungiert wie ein innerer Aufpasser – im Grunde will er uns daran hindern, schmerzliche Erfahrungen zu wiederholen. Er ist ein Teil von uns und will akzeptiert werden.
  • Dennoch kann es notwendig sein, ihn zu mäßigen: Äußert sich die innere Stimme in abwertenden Sätzen („Du kannst ja gar nichts“), dann ist es eine gute Idee, diesen Satz konstruktiv und liebevoll umzuwandeln, z.B. in: Das hast Du noch nicht so gut gemacht, aber ich bin mir sicher, Du kannst das lernen. Dadurch wird ein neues Denken eingeübt.
  • Wichtig ist es auch, sich selbst loben: z.B. kann man am Abend ein paar Minuten dafür nutzen, in Gedanken drei Punkte zu formulieren, die man heute gut gemacht hat. Das schärft den Blick für das Positive.

(Bild von Sophie Janotta auf Pixabay)

Alexandra Rammer